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Infoblatt Thor Heyerdahl (1914 - 2002)


Thor Heyerdahl - eine Kurzbiographie

Thor Heyerdahl wurde 1914 im norwegischen Larvik geboren. Schon als Junge richtete er sich ein kleines zoologisches Museum ein. Nach der Schulzeit studierte der junge Mann an der Universität Oslo Geographie und Zoologie.

1937 ging Heyerdahl nach Polynesien. Dort wurden der 23-jährige und seine Frau Liv vom Häuptling Teriieroo adoptiert und lebten das traditionelle Leben der Eingeborenen. Das junge Ehepaar sammelte und verglich in den Folgejahren umfangreiches Material aus Polynesien, vom amerikanischen Kontinent und aus Südostasien. Im Ergebnis dieser ethnographischen und archäologischen Studien kam Heyerdahl zu dem Schluss, dass die Besiedlung Polynesiens nicht von Südostasien, sondern von Amerika aus erfolgt sein könnte.

Eine solche These stieß in der Fachwelt auf deutliche Ablehnung. Doch Heyerdahl wollte seine Theorie durch den praktischen Versuch beweisen, genauso wie es einstmals sein Landsmann Fridtjof Nansen getan hatte. Seinen Plan konnte er 1947 in die Tat umsetzen. An Bord der "Kon-Tiki" verließ Heyerdahl mit fünf Begleitern den Hafen Callao in Peru. Auf dem offenen Floß legte die Mannschaft, ostwärts segelnd, in 101 Tagen über 8.000 Kilometer zurück und erreichte schließlich die polynesischen Inseln. Mit seinem spektakulären Abenteuer hatte Heyerdahl zumindest zweierlei bewiesen: Erstens war das nach alten Vorbildern in Südamerika gebaute Balsa-Floß hochseetauglich. Und zweitens konnte jetzt nicht mehr völlig ausgeschlossen werden, dass Polynesien von Westen her besiedelt worden war.

Die "Kon-Tiki"-Expedition machte den Norweger weltberühmt. Die Menschen waren begeistert, denn der Abenteurer hatte bei seiner Fahrt mit Ausnahme von Funkgeräten sonst gänzlich auf moderne Technik verzichtet und allein den überlieferten Materialien vertraut. Auch bei der Nahrung hielt sich Heyerdahl strikt an seine historischen Vorbilder, denn gegessen wurde nur, was das Meer hergab. Die legendäre Fahrt der "Kon-Tiki" wurde in Buchform ein Bestseller und der darüber gedrehte Dokumentarfilm mit dem Oscar ausgezeichnet. Damit hatte Heyerdahl auch in der Vermarktung seiner Reisen neue Wege und Geldquellen für weitere Vorhaben erschlossen.

Trotz aller Erfolge blieben die Theorien von Heyerdahl umstritten. Deshalb suchte der Norweger nach weiteren Beweisen und brach 1953 mit einer archäologischen Expedition zu den Galápagos-Inseln auf. Hier fand man bei Ausgrabungen Gegenstände indianisch-amerikanischen Ursprungs, die sowohl aus der eigentlichen Inkazeit als auch aus der vorinkaischen Zeit stammten. Es waren die ersten Funde dieser Art auf den Inseln überhaupt.

Auch auf den Osterinseln nahm Heyerdahl umfassende Ausgrabungen vor (1955/56). Mit seinen dortigen Funden konnte der Norweger die These von den drei verschiedenen Kulturepochen auf der Inselgruppe untermauern. Von besonderem Wert waren Statuen von sehr frühem Ursprung und von großer Ähnlichkeit mit in Bolivien gefundenen Exemplaren.

Auf die Spuren der einstigen Hochkulturen begab sich Heyerdahl dann wieder 1969. Dieses Mal hatte er ein Papyrusboot nach ägyptischen Vorbildern bauen lassen. Mit der "Ra" verließ die Expedition die marokkanische Stadt Safi, um den Atlantik zu überqueren. Wieder wollte Heyerdahl durch den praktischen Versuch belegen, dass die frühen afrikanischen und ägyptischen Zivilisationen zur Überquerung von Ozeanen in der Lage waren und dass sie demzufolge auch die Zivilisationen auf dem südamerikanischen Kontinent beeinflusst haben könnten.

Die Fahrt war letztlich erfolgreich, allerdings erst im zweiten Anlauf. Die "Ra II" hatte die "Ra" abgelöst, die wegen eines Konstruktionsfehlers während der Atlantiküberquerung aufgegeben werden musste. Das neue Papyrusboot erreichte nach zweimonatiger Fahrt über 6.100 Kilometer wohlbehalten Barbados (1970). Wieder war Heyerdahl ein spektakuläres Unternehmen geglückt und er hatte zumindest bewiesen, dass Boote wie die "Ra" auch schon in prähistorischer Zeit den Atlantik hätten überqueren können.

1977 sah die Welt den Norweger erneut auf großer Fahrt. Jetzt folgte er auf dem Wege von Al Qurnah (Irak) nach Dschibuti den antiken Händlern und Seefahrern, die etwa 3000 v. Chr. die Meere zwischen Mesopotamien, Nordostafrika und dem heutigen Pakistan befahren hatten. Sein Schiff – wieder ein Nachbau nach historisch verbürgten Vorlagen – hieß "Tigris" und war aus Schilf gefertigt. Auch diese Reise wurde ein voller Erfolg und zu einem Medienereignis.

In den letzten 20 Jahren seines Lebens war Heyerdahl mit verschiedenen Forschungsprojekten beschäftigt. Er erforschte u. a. die Geschichte der Malediven im Indischen Ozean. Auf Teneriffa leitete er Ausgrabungen, bei denen eine auf die Sonne ausgerichtete Pyramide entdeckt wurde, die wahrscheinlich zu Zeiten der Guanchen, der Urbevölkerung der Kanarischen Inseln, entstand. In Tucumán im Hochland Perus entdeckte eine Grabungsexpedition unter Heyerdahls Leitung 26 andische Pyramiden mit reichen Grabungsschätzen einer frühen Zivilisation, die noch vor den Inkas im Hochland lebte und entlang der gesamten südamerikanischen Küste Handelsbeziehungen aufgebaut hatte.

Das Leben des Abenteurers und Anthropologen Thor Heyerdahl vollendete sich am 18. Februar 2002 in Colla Michari in Italien. Er wurde mit zahlreichen Medaillen und Preisen ausgezeichnet. Universitäten in Europa, Nord- und Südamerika verliehen ihm nicht weniger als elf Ehrendoktortitel. Es gibt ein nach ihm benanntes Segelschiff, dessen Eigner einer der Navigatoren auf der "Tigris" war.

Wie kein anderer Entdecker vor ihm hatte es Heyerdahl verstanden, unzählige Menschen mit seinen Abenteuerfahrten zu fesseln und zu begeistern. Er war einer der ersten überhaupt, der die Möglichkeiten der modernen Mediengesellschaft zielgerichtet nutzte, um die Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm zu holen und für die Menschen spannend und verständlich darzustellen.


Sein Leben in Zahlen und Fakten

  • geb. 1914
    Der am 6. Oktober 1914 im norwegischen Larvik geborene Thor Heyerdahl interessierte sich schon in seiner Kindheit für die Natur. In einem Raum seines Elternhauses richtete er ein kleines Naturkundemuseum ein. Nach seinem Schulabschluss studierte er in Oslo Geographie und Zoologie.
  • 1937 bis 1939
    Heyerdahl und seine Frau Liv verließen Norwegen und gingen nach Polynesien, wo sie von einem polynesischen Häuptling adoptiert wurden. In jahrelanger Forschungsarbeit untersuchte und verglich Heyerdahl Materialien aus Polynesien, vom amerikanischen Kontinent und aus Südostasien. Im Ergebnis seiner ethnographischen und archäologischen Studien kam er zu dem kühnen Schluss, dass Polynesien nicht von Südostasien aus, sondern von Amerika her besiedelt worden sei. Mit dieser Annahme stand der Norweger in der wissenschaftlichen Fachwelt ziemlich allein.
  • 1947
    Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges machte sich Heyerdahl daran, seine angezweifelte Theorie zu beweisen. Er baute ein historisches Schiff aus Balsaholz nach und verließ 1947 mit fünf Begleitern den Hafen Callao in Peru. Die Reise mit der selbstgebauten "Kon-Tiki" wurde zum bestaunten und umjubelten Abenteuer. Nach genau 101 Tagen auf See hatten Heyerdahl und seine Männer auf dem offenen Floß über 8.000 Kilometer bewältigt und die polynesischen Tuamotu-Inseln erreicht. Damit war zunächst einmal die Seetauglichkeit von Balsa-Flößen bewiesen, aber keinesfalls, dass Polynesien von Peru her besiedelt worden wäre.
  • 1952 bis 1956
    Durch zwei weitere Expeditionen zu den Galapagosinseln (1952/53) und zu den Osterinseln (1955/56), die den Norweger endgültig weltberühmt machten, wollte Heyerdahl seine strittige Besiedlungsthese weiter untermauern.
  • 1969/70
    Mit dem Papyrusboot "Ra", benannt nach dem ägyptischen Sonnengott, verließ Heyerdahl die marokkanische Stadt Safi mit dem Ziel, den Atlantik zu überqueren. Damit wollte er beweisen, dass bereits die alten Ägypter in der Lage gewesen sein mussten, Ozeane zu überqueren. Die Überquerung des Atlantiks auf einem Papyrusboot gelang jedoch erst ein Jahr später mit der "Ra II", weil die "Ra" aufgrund eines Konstruktionsfehlers auseinander gebrochen war und aufgegeben werden musste.
  • 1977
    Seine vierte spektakuläre Expedition unternahm Heyerdahl 1977 mit der "Tigris", einem Schilfboot. Die "Tigris" folgte den Austausch- und Handelswegen zwischen den Sumerern in Mesopotamien und anderen kulturellen Zentren im Nahen Osten, in Nordostafrika und im heutigen Pakistan.
  • 1983 bis 1988
    Heyerdahl erforschte die Geschichte der Malediven im Indischen Ozean und machte mehrere Male zur archäologischen Arbeit auf den Osterinseln Station (1986,1987,1988).
  • 1988 bis 1993
    Bei Ausgrabungen in Tucumán im Peruanischen Hochland entdeckten Heyerdahl und seine Mitarbeiter 26 andische Pyramiden. Die gefundenen Schätze und Ausgrabungsgegenstände bewiesen, dass die südamerikanischen Ureinwohner bereits vor den Inkas das Hochland besiedelt und Handelsbeziehungen entlang der gesamten südamerikanischen Küste aufgebaut hatten.
  • 1990 bis 2002
    Bei den Ausgrabungen von Güimar auf Teneriffa entdeckte Heyerdahl eine auf die Sonne ausgerichtete Pyramide, die wahrscheinlich schon zur Zeit der Guanchen, der Urbevölkerung der Kanarischen Inseln, entstand.
  • 2002
    Am 18. April starb der 87-jährige Norweger im italienischen Colla Michari.



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 04.06.2012